6. Mai 2013

Prozeß gegen Beate Zschäpe. Noch viel Dilettantismus

Sehr geehrte Politiker, sehr geehrte Medienschaffende,

Sie stehen vor einem großen Ereignis, das offensichtlich noch nicht alle angemessen würdigen. Vor Ihnen tut sich der erste "Freisler"-Schauprozeß nach dem WKII auf, und dazu fehlt Ihnen mangels inzwischen in ihren Betten verstorbener Lehrherrn doch die Erfahrung. Bundespräsident und Bundeskanzlerin weisen Ihnen ersatzweise die Richtung, in dem sie der Judikative vorgreifen und sich bei den Angehörigen der Mordopfer entschuldigen. Für wen?

Für die Taten des NSU-Trios: "Jahrelang konnten die Rechtsterroristen des NSU mordend durch Deutschland ziehen, ohne erkannt zu werden. Zehn Morde gehen auf ihr Konto." Die Mitarbeiter von WELT Manuel Bewarder und Per Hinrichs gehören zu denjenigen, die es begriffen haben. Für sie ist es selbstverständlich erwiesen, daß die drei aus dem Wohnwagen und niemand anderer die Verbrecher sind, mordende Rechtsterroristen. Der Begriff Rechtsterrorist bedarf keiner Erklärung, mit ihm ist es wie mit der Islamophobie. Das gesunde Volksempfinden weiß Bescheid, was darunter zu verstehen ist.

Die Bundesregierung mischt sich auch ein in die Platzvergabe für die Medien. Sie müssen noch viel lernen, bis die Freislerisierung vollkommen ist. Der Ansatz ist nicht, das Gericht zu kritisieren, sondern ihm zu den ersten freislerisierten Schauprozessen Vorgaben zu machen, wer die Berichterstattung übernehmen soll, später läuft das dann im Selbstlauf, wie geschmiert. Es gibt Setzungen: ARD und ZDF mit allen Regional- und Nebenprogrammen bilden eine sichere Bank. Sie beweisen es täglich durch ihre Sendungen, zuletzt durch Die Nazi-Braut. Das Geheimnis der Beate Zschäpe, einen Film von Christian Deick und Rainer Fromm.

Weitere im Sinne der Regierung berichtende Medien sind nach Rangfolge der Zuverlässigkeit zu listen. Im jeweiligen Prozeß ist dann nur noch je nach Größe und Bedeutung durch Steffen Seibert im Auftrag von Angela Merkel zu bestimmen: Die ersten 500, 200, 100, 50, 20 Medienvertreter sind zur Berichterstattung abzuordnen. Türkische und Medienvertreter anderer islamischer Staaten sind unter die ersten 50 zu plazieren, bei Kleinschauprozessen von städtischer oder regionaler Bedeutung kann die jeweilige Landesregierung drei oder vier muslimische Journalisten unter die 20 mischen. Die 16 oder 17 deutschen Journalisten  sollten in der Anfangsphase der Freislerisierung vom Ministerpräsidenten persönlich abkommandiert werden, er kennt seine Pappenheimer am besten. Die Gesamtzahl aller zugelassenen Medien bestimmt sich nach in- und ausländischem Interesse.

Ausnahmezustände wie der jetzt in München sind zu vermeiden. "Was in und vorm Gericht passiert", das darf nicht dem Zufall überlassen werden, sondern es gehört durchorganisiert. Express.de weiß von "zwei mutmaßlichen Neo-Nazis", die als Zuschauer bis in den Gerichtssaal vorgedrungen sind. Solche Überraschungen dürfen im gelungenen "Freisler" nicht vorkommen, sondern Alibi-Nazis sind zur Wahrung des Ansehens im Ausland von Anfang an als Zuschauer vorzusehen. Ob man sich dabei Agenten des Verfassungsschutzes bedient oder ächter Neo-Nazis, das richtet sich nach der Verfügbarkeit und dem Ziel, das erreicht werden soll. Nur solche Neo-Nazis, die nicht plötzlich schwach werden und bei so vielen Morden Bedenken und menschliche Regungen äußern, sind zuzulassen.

Gelungen ist heute schon die Einstimmung der Polizeibeamten, die Beate Zschäpe in den Gerichtssaal führen. Ihr Vorgesetzter scheint ihnen unter Androhung von Beförderungsstop und Urlaubssperre befohlen zu haben, die Angeklagte mit den ihr gebührenden Haßblicken zu bedenken. Ein Video bei Express.de beweist ihre Lernfähigkeit. Auch bei den originalen Freisler-Prozessen hätte sich niemand gewagt, auch nur neutral oder unbeteiligt zu blicken. Er wäre schnell dort gelandet, von wo der/die Angeklagte zur Sitzung abgeholt wurde, in der Zelle.

Über die Zulassung von Befangenheitsanträgen müssen für die neuen Freislers Richtlinien erarbeitet werden. Solche Anträge, wenn auch nicht mit Vorlesezeit von mehr als einer Stunde, sind zuzulassen um a) eine sachliche Prozeßführung zu beweisen, b) um im Falle der Antragsstellung durch die Verteidiger zusätzlichen Haß auf die Angeklagten zu lenken. Das Volk sieht, wie mit seinen Steuergeldern diese Verbrecher Zeit schinden. Das ist im Freisler I nach WKII der Carmencita alias Beate geschuldet, "arrogant", "äußerst selbtbewußt und respektlos", mit großen Ohrringen und hochhackigen Schuhen statt reuig und räudig in Sack und Asche tritt der Teufel auf, die "Nazi-Terroristin", aber sie kann niemanden täuschen, sie ist eine zehnfache Mörderin, das sagen alle. Die türkischen Anwälte und Prozeßbeobachter sind außer sich, daß Beate Zschäpe vorher nicht im Koran nachgelesen hat, wie Frauen aufzutreten haben, schon ganz normale, geschweige denn Mörderinnen. Es ist den westlichen Prozeßbeobachtern hoch anzurechnen, daß sie die Sichtweise ihrer muslimischen Kollegen teilen. Hier bedarf es keiner größeren Anstrengungen mehr.

Der Angeklagte Carsten S. spielt seine Rolle gut. Er ist das Kontrastprogramm zu Beate Zschäpe, er schämt sich, versteckt sein Gesicht. Sollte er das tun, weil es ihm peinlich ist, auf Kosten der Hauptangeklagten und zu seinen Gunsten Geschichten über die Untaten der Neo-Nazis zu erzählen, ist das nicht gerichtsrelevant, weil das ja nicht auseinandergehalten werden kann. Alles und jeder ist gut, der oder das die Schuld der Angeklagten direkt und indirekt bestätigt.

Kleinigkeiten wie die, daß Verteidiger beim Eintritt ins Gericht gefilzt werden und Ankläger nicht, erledigen sich nach einigen Freislers von selbst, da es bald keine Unterscheidung mehr zwischen den Kategorien geben wird, alle werden Verteidiger sein und gefilzt, denn sie verteidigen gegen alle Unbilden den Rechtsstaat, von wo auch er angegriffen werden möge. Da aber bei Juristen noch ein Rest von früher gewohntem Verfahren in der Erinnerung haften geblieben sein mag, kann man es nicht riskieren, daß da einer vielleicht plötzlich mit 'ner Knarre rumfuchtelt und schreit: "Wir sind hier doch nicht bei Freisler!" Darum Filz für alle.

"Hier trifft die Nazi-Braut am Gericht ein. (Foto dpa)" Mit solcher Berichterstattung erschreibt sich Express.de einen Platz unter den ersten 20. Aber, Kollegen, die anderen schlafen ebenfalls nicht, FAZ, WELT, SZ, taz etc. Sie alle sind der ersten Plätze würdig. Der nächste Schauprozeß kommt bestimmt, jetzt aber gilt es, diesen Prototyp erst einmal erfolgreich durchzustehen.

Ihr habt doch noch viel zu lernen, Expressi, oder was heißt diese Bildunterschrift: "Sie trifft am Montag auf die mutmaßlichen Mörder ihres Vaters Enver Simsek: Semiya Simsek unterhält sich im Gerichtssaal mit ihrem Anwalt Stephan Lucas." Zwei haben sich, wie ohne jeden Beweis vom gesunden Rechtsempfinden mitgeteilt, selbst erschossen, eine bleibt übrig. Um welche "mutmaßlichen Mörder", im Plural, geht es? Oder hat das Gericht die Leichen wieder ausgegraben und setzt sie ab 14. Mai neben die noch lebende Beate Zschäpe? Das wäre nicht freislerisch, merkt es Euch, und Heil!