20. Oktober 2013

Frankreich. Finanzierung der Gewerkschaften durch Subventionen

Nicolas Perruchot (Foto), der ehemalige Abgeordnete des Nouveau Centre der Nationalversammlung, ist im Jahr 2011, zur Zeit des Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy, Präsident der Untersuchungskommission zur Finanzierung der Organisationen der Berufsverbände, der Unternehmerverbände wie der Gewerkschaften. Sein Bericht verschwindet ohne parlamentarische Abstimmung und darf 25 Jahre lang nicht veröffentlicht werden. Entsprechend gehen die Ankündigungen der Zeitschrift Le Point, den Bericht über das Geld der Unternehmerverbände und Gewerkschaften im Original zu veröffentlichen, ins Leere: Not Found.

Aber das Internet ist weit, und so findet man den verbotenen Bericht über die Finanzierung der Gewerkschaften auf der Site Le Cri du comptable. Der Aufschrei des Steuerpflichtigen. Der Präsident der Vereinigung der Steuerpflichtigen Alain Mathieu hat ihn gelesen und analysiert.

Update. Aus der Arbeit des Syndicat national des journalistes CGT und des Syndicat national des journalistes (en français). Clément Weill-Raynal : Le fusillé du Mur des cons, actualité PLON

Die durch ihre Mitgliedsfirmen finanziell üppig ausgestatteten Unternehmerverbände profitieren einerseits von Steuergeldern und verteilen andererseits Gelder an die Gewerkschaften. Im Artikel Frankreich. 4 Milliarden Euro / Jahr für die Gewerkschaften, vom 10. Juli 2012, gibt es eine Aufstellung über die Finanzierung der Gewerkschaften, in denen sieben bis acht Prozent der Beschäftigten organisiert sind, darunter 80 Prozent Beschäftigte des öffentlichen Dienstes. Sie leben von Steuergeldern und von Zuwendungen ihrer Gegner, den Unternehmerverbänden, genannt Sozialpartner. Der Staat über öffentliche Gesellschaften und die Unternehmerverbände nehmen Teil an einem Rollenspiel mit den Gewerkschaftsfunktionären der acht großen Gewerkschaften, die vor allem sich selbst vertreten. Mitgliederwerbung ist dort nicht nötig, denn nur drei Prozent der Einnahmen kommen von Beiträgen der organisierten Beschäftigten.

Le Figaro zitiert aus dem niemals veröffentlichten Perruchot-Bericht Daten, um die es geht, die aber von den Gewerkschaften bestritten werden:
  • 4 Milliarden Euro/Jahr insgesamt, hauptsächlich über öffentliche Subventionen für ihre Teilnahme an der Sozialpartnerschaft.
  • 17 000 vom öffentlichen Dienst freigestellte Funktionäre und daraus entstehende Kosten von 720 Millionen bis 1,3 Milliarden Euro.
  • 30 Millionen Euro Jahreseinkünfte aus paritätischer Geschäftsführung der Berufsausbildung.
Der Bericht der Untersuchungskommission liegt den Medien vor, und so bleibt es nicht aus, daß Einzelheiten daraus bei passenden Gelegenheiten ausgebreitet werden. Der auf der Grundlage von seit 2007 angestellten Untersuchungen geführte Prozeß über Schwarze Kassen gegen den Verband der Metallverarbeitenden Industrie UIMM, die Union des Industries et Métiers de la Métalurgie, ist eine solche Gelegenheit. In sechstägiger Verhandlung wird dokumentiert, daß von 2000 bis 2007 vom Verband 16,5 Millionen Euro unbelegter Gelder ausgegeben worden sind, und der Hauptangeklagte Denis Gautier-Sauvagnac weiß auch an wen: "Ce sont bien les syndicats". Das sind sehr wohl die Gewerkschaften, und zwar die fünf größten und repräsentativsten, wobei die den Sozialisten verpflichtete Gewerkschaft CFDT durch ihren Generalsekretär Laurent Berger bestreiten läßt, Geld aus den berühmten Kassen erhalten zu haben: "Wenn er uns benennt, werden wir ihn verklagen."

André Bergeron aber, der Gewerkschaftssekretär der Force Ouvrière (FO), von 1963 bis 1989, erinnert sich 2010: "Die UIMM hat mir wie anderen Geld gegeben, aber das diente der Gewerkschaftsbewegung, ich habe niemals einen Centime davon angerührt." Die heutigen FO-Funktionäre kommentieren ihn mit den Worten: "Il n'a plus toute sa tête." Er ist nicht mehr ganz klar im Kopf.

Der seit 2008 amtierende Generalsekretär der UIMM verteidigt seinen Verband: "Wenn die Nutznießer sehr wohl die Gewerkschaften sind, so ist das im Einklang mit dem Gesetz Waldeck-Rousseau, von 1884, und der Aufgabenstellung der UIMM. Das Gesetz ist das erste, das die Bildung von Gewerkschaften gestattet. Beamte und Angestellte des Staates wird die Bildung von Gewerkschaften untersagt. Das Gesetz sieht in Artikel 5 die Zusammenarbeit der verschiedenen Verbände vor, von einer Finanzierung der einen durch die anderen ist nirgends zu lesen.

Zur "Aufgabenstellung" der Unternehmerverbände kommentiert Nicolas Perruchot kurz&knapp: Les grands groupes considèrent toujours qu'acheter la paix sociale coûte moins cher que le progrès social. Die großen Konzerne finden immer, daß den sozialen Frieden zu erkaufen, weniger kostet, als der soziale Fortschritt. Das heißt, die Unternehmerverbände erkaufen sich von den angeblichen Vertretern der Beschäftigten die Freiheit zur sozialen Stagnation. Der Staat, ob bürgerlich oder sozialistisch regiert, ist einverstanden und macht mit in dem Rollenspiel. 

Nun wundert man sich nicht mehr, daß rotnasige Dickbäuche von CGT, FO und/oder CFDT in Perpignan bei vollständiger Gleichgültigkeit der Bevölkerung randalierend und rote Fahnen schwenkend die Bahnhofsstraße entlangziehen. Es geschieht eh nur, was gegen Bares von ihren höchsten Funktionären mit den Chefs der Unternehmerverbände abgesprochen und ausgehandelt wird.

Das Urteil im Prozeß gegen die UIMM wird für den 21. Oktober 2013 erwartet.