5. November 2013

Mali und Nigeria. Zwei Sorten Opfer islamischer Terroristen


Am Samstag, 2. November 2013, um 16:40 Uhr, berichtet die Website MaliJet, daß die Militärs der französischen Serval am selben Tag die RFI-Journalistin Ghislaine und ihren Kameramann Claude Vernon zwölf Kilometer östlich von Kidal gefunden hätten, um 13 Uhr entführt, beide lâchement égorgés par leurs ravisseurs, beiden wurden von ihren Entführern schändlicherweise die Kehlen durchgeschnitten. Weitere Informationen dazu findet man im Artikel Mali. Mit der UNO in den Tod.

Update. Was Albert Camus (7.11.1913 - 4.1.1960) 1958/59 dazu weiß, am Ende des Textes
Hundertster Geburtstag am 7. November. Wir gratulieren uns zu diesem großen Schriftsteller!

Im Figaro werden den für Frankreich gefallenen Kollegen am Montag und am Dienstag, 4. und 5. November 2013, auf den ersten Seiten zahlreiche Artikel gewidmet. In keinem wird die islamische Form der Feindbekämpfung erwähnt, das Durchtrennen der Kehle. Am Montag sind sie durch Kugeln getötet worden, zwei für die eine, drei für den anderen oder umgekehrt, am Dienstag sind sie nur noch ermordet, umgebracht, assassinés. MaliJet hat gelernt und modifiziert die Aussage vom 2. November über den Mord, 12km entfernt von Kidal: Offizielle Quellen sprächen von Hinrichtung durch Kugeln, andere Quellen bekräftigten, daß die Journalisten mit durchschnittener Kehle gestorben wären, affirment que les journalistes sont morts égorgés. Der Autor fragt dann, wer wohl der Urheber gewesen sein mag.

Seine Überlegungen führen MaliJet, zu den am 29. Oktober in Arlit befreiten vier Geiseln und von dort zum Mouvement National de Libération de l'Azawad (MNLA), der heute den Tod der beiden Journalisten beweint und verurteilt, sowie zur Al-Qaida au Maghreb Islamique (AQMI), nicht zu vergessen die islamische Terrorgruppe aus Mali Ansar Dine und ihren Chef Iyad Ag Ghali, den Verbündeten des MNLA und Unterhändler im Geschäft zur Befreiung der vier Geiseln in Niger. Iyad Ag Ghali sei nach dem Militäreinsatz Frankreichs in Mali, Januar 2013, auf Frankreich wütend, und von den 20 Millionen Euro Lösegeld, es sei in seiner Höhe nicht ungewöhnlich, bekommt AQMI laut MaliJet nichts, obgleich Iyad nur ihr Unterhändler sei. Das nennt man auch in solchen Kreisen "Verrat". 

Auf Grund dieser islaminternen Händel räche sich AQMI und ermorde die beiden Journalisten. La somme n’a rien de colossal en matière de rançon. Sie komme direkt von der französischen Nuklearfirma AREVA; die bezeichnet sich auf ihrer Website als Weltführer im Bereich der Atomenergie: AREVA. Foreward-looking energy. FREED! Daniel - Pierre - Thierry - Marc.

       Aqmi revendique les meurtres des reporters français au Mali.
       Par Tanguy Berthemet, Le Figaro, 6 novembre 2013

Frankreich finanziert die islamischen Terrorgruppen, die ihre eigenen Landsleute bestialisch ermorden, einerseits durch ein Unternehmen, an dem der französische Staat beteiligt ist, andererseits durch Steuergelder, die nun vermehrt ausgegeben werden müssen, um die gut ausstaffierten Kämpfer in Schach zu halten. Hierbei ist noch nicht der französischen Truppen der Serval gedacht, die ihr Leben dafür lassen müssen.

An anderer Stelle liest man, daß die AQMI und die nigerianische islamische Terrorgruppe Boko Haram (= westliche Erziehung ist eine Sünde) sich bestens verstehen. Google bietet zahlreiche Einträge. Le Monde berichtet am 9. April 2012: "Boko Haram und AQMI, das in der Sahel-Zone der Sahara seit mehreren Jahren Menschen aus westlichen Ländern entführt, haben Verbindung miteinander aufgenommen und sogar, nach einigen Quellen, eine Operation durchgeführt, die die Staaten der Region und die westlichen Staaten eine Gemeinsamkeit zwischen beiden befürchten läßt." Boko Haram arbeitet auch zusammen mit dem in dem Ort Gao, in Nord-Mali, operierenden Mouvement pour l'unicité et le jihad en Afrique de l'Ouest (Mujao), der Bewegung für die Einzigartigkeit und den Glaubenskrieg in Westafrika, einer Gruppe, die sich 2011 von der AQMI getrennt hat, um sich besser um die einzigartige Terrorisierung Westafrikas zu kümmern. Sie besitzt noch keine eigene Website, was darauf hindeutet, daß ihre Chefs wie die der AQMI und des Ansar Dine noch nicht in den Pariser Salons und in denen von Doha oder Riyadh, Alger oder Rabat angekommen sind.

So schließt sich der Kreis. Im Spiel sind alle islamischen Terrorgruppen, ob sie nun zeitweise und punktuell mit Frankreich oder anderen westlichen Staaten Geschäftsbeziehungen eingehen, sich bezahlen lassen, oder nicht. Alle diese Gruppen sind Glaubenskämpfer gegen die Ungläubigen, die korangemäß unterworfen oder vernichtet werden müssen. Sie kämpfen gegen ihre Regierungen, die mit westlichen Staaten gemeinsame Sache machen. Es ist der französischen Regierung anscheinend nicht klar, daß keine dieser Gruppen für eine noch so kurze und punktuelle Zusammenarbeit in Frage kommt.

Boko Haram sind als Schlächter unterwegs in der Gegend. Am Donnerstag, den 31. Oktober 2013, zwei Tage vor der Entführung und Ermordung der beiden RFI-Journalisten ermordet Boko Haram laut AFRIK.COM in Bama, in Nordost-Nigeria, 27 Menschen und brandschatzt 300 Häuser. Das wird an eben dem Donnerstag von einem Verantwortlichen in Bama bekanntgegeben, aber erst heute steht's in der Zeitung. "Ungefähr 70 bewaffnete Männer auf etwa 15 Motorrädern und Kleinlastwagen haben das Dorf spät am Donnerstag angegriffen," habe der Regierungsbeamte erklärt. "Sie haben 27 Menschen ermordet und zwölf verwundet. (...) Ungefähr 300 Häuser wurden angezündet..", und Reuters weiß bereits seit Montag, daß es sich um insgesamt 70 ermordete Menschen handelt, 27 in Bama und 43 bei zwei weiteren Angriffen, darunter 30 bei Rückkehr von einer Hochzeitsfeier, der Bräutigam ist unter ihnen, und 13 in einem anderen Dorf in Nord-Mali. Es sind einheimische Schwarzafrikaner.

Dieses Massaker schafft es im Figaro als kleine Meldung von 32 Worten auf die Seite 6, ganz unten.

Update. Was Albert Camus (7.November 1913 - 4. Januar 1960) 1958/59 dazu weiß:

[Campagne du Maroc, 1907 - 1909]. C'était la nuit, après une journée torride, dans ce coin d'Atlas où le détachement campait au sommet d'une petite colline gardée par un défilé rocheux. Cormery et Levesque devaient relever la sentinelle au bas du défilé. Personne n'avait répondu à leurs appels. Et au pied d'une haie de figuiers de Barbarie, ils avaient trouvé leur camarade la tête renversée, bizarrement tournée vers la lune. Et d'abord il n'avaient pas reconnu sa tête qui avait une forme étrange. Mais c'était tout simple. Il avait été égorgé et, dans sa bouche, cette boursouflure livide était son sexe entier. C'est alors qu'ils avaient vu le corps aux jambes écartées, le pantalon de zouave fendu et, au milieu de la fente,  dans le reflet cette fois indirect de la lune, cette flaque marécageuse (que tu crèves avec ou sans, avait dit le sergent).  À cent mètres plus loin, derrière un gros rocher cette fois, la deuxième sentinelle avait été présentée de la même façon. L'alarme avait été donnée, les postes doublés.

[Feldzug in Marokko, 1907 - 1909]. Es war die Nacht nach einem brennend heißen Tag in diesem Winkel des Atlas, wo die gemischte Einheit, geschützt von einem felsigen Engpaß, auf dem Gipfel eines kleinen Hügels lagerte. Cormery und Levesque sollten den Wachposten unten am Engpaß ablösen. Niemand hatte geantwortet auf ihren Anruf. Und am Fuß einer Hecke aus Kaktusfeigen hatten sie ihren Kameraden gefunden, den Kopf verdreht, seltsam gegen den Mond gekehrt. Und zuerst hatten sie seinen Kopf nicht erkannt, der eine sonderbare Form hatte. Aber das war ganz einfach. Ihm war die Kehle durchgeschnitten, und in seinem Mund, diese aschfahle Schwellung, das war sein ganzer Penis. Und da hatten sie auch den Körper mit den gespreizten Beinen gesehen, die Zouavenhose aufgeschlitzt, und mitten in dem Schlitz, der Schimmer des Mondes diesmal indirekt, die sumpfige Pfütze (ob du nun mit oder ohne krepierst, hatte der Feldwebel gesagt). Hundert Meter weiter, diesmal hinter einem großen Felsen, war der zweite Wachsoldat auf gleiche Art dargeboten. Alarm war gegeben worden und die Posten verdoppelt.

Albert Camus: Le premier homme, Gallimard 1994, p. 77