23. September 2017

Das antisemitische Frankreich im Anti-AfD-Taumel


Der Berlin-Korrespondent des Figaro Nicolas Barotte schreibt heute: "Die AfD bereitet sich auf den Einzug in den Bundestag vor und darauf, die Demokratie einer Zerreißprobe zu unterziehen."

Updates, vom 24. und 25. September 2017
"Deutschland bereitet sich auf den Schock der Nationalisten der AfD vor."
Diverse Kommentare im Figaro und im Indépendant

Das ist nicht so gemeint, daß die neue Regierung im Angesicht der kommenden AfD-Opposition ihre Fähigkeit zur Demokratie beweisen muß, sondern der Korrespondent, dessen politische Meinungen die Leser schon aus anderen Artikeln dieses Blogs einschätzen können, erklärt die AfD damit für undemokratisch. Es ist die AfD, die mit ihrem Einzug die Demokratie einer Zerreißprobe unterzieht.

Und das, während in Frankreich der Staatspräsident mittels Verordnungen regiert.


Arbeitsgesetzbuch: Macron unterzeichnet die fünf Verordnungen

Regieren durch Verordnungen hat in Deutschland einen sehr schlechten Ruf. Man denkt sofort an die "Reichstagsbrandverordnung, das Ermächtigungsgesetz", vom 28. Februar 1933, die "Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat". Als nächstes denkt man an die zahlreichen Verordnungen der Europäischen Union, sie werden undemokratisch von nicht gewählten Beamten in Brüssel erlassen. Von einer Zerreißprobe der Demokratie deswegen ist nichts bekannt.

Le Figaro weiß bis heute nicht, daß in Deutschland bei den Bundestagswahlen nicht der Kanzler, sondern die Abgeordneten des Bundestages gewählt werden: "Die deutsche Kanzlerin müßte am Sonntag für ein viertes Mandat wiedergewählt werden. Aber die Bildung ihrer Regierung kündigt sich als schwierig an."
Sicher, wiedergewählt zu werden, bereitet Merkel das Schwerste vor.

La chancelière allemande devrait être réélue dimanche pour un 4e mandat. Mais la formation de son gouvernement s'annonce difficile.

Auch alle anderen Artikel des Figaro zeigen, daß dort niemand Bescheid weiß über das politische System in Deutschland. Es ist anders als in Frankreich, wo zuerst der Staatspräsident und danach die Abgeordneten gewählt werden. Diejenigen seiner Partei, in diesem Fall der Partei genannten Marschkolonne "La République en marche !" (LREM), haben keine andere Funktion, als die Politik des Staatspräsidenten in ihren Wahlbezirken, in Institutionen und in den Medien zu verbreiten. Dazu, wer Staatspräsident Frankreichs wird, haben sie nichts zu sagen. Er wird vom Volk gewählt.

Wie staunt man auch zu lesen, daß "die Bilanz der Wirtschaft vor allem durch die Aufnahme der Flüchtlinge angekurbelt wurde," nicht etwa durch die starke deutsche Exportindustrie. Allemagne : le bilan économique de Merkel notamment dopé par l'accueil des réfugiés. "Die Kanzlerin stützt sich auf ihre Wirtschaftsbilanz, um sich wiederwählen zu lassen. Jenseits des Rheins wurden das Wachstum und die Nachfrage vor allem durch die Ankunft der Flüchtlinge gestärkt."

"Deutsche Exporte im Jahr 2016 um 1,2 % gestiegen", sie "erreichen neue Rekordwerte", berichtet das Statistische Bundesamt in einer Pressemitteilung, am 9. Februar 2017. Es wurden Waren im Wert von "1 207,5 Milliarden Euro exportiert und Waren im Wert von 954,6 Milliarden Euro importiert." Diese Information hat sich noch nicht bis zum Figaro herumgesprochen.

L'Allemagne se prépare au choc de l'AfD. "Deutschland bereitet sich vor auf den Schock der AfD", ganz Deutschland also, nicht etwa die Altparteien. Nicolas Barotte ist entsetzt, kennt er doch Deutschland vor allem durch seine politischen Freunde aus der staatlichen Nachrichtenagentur Frankreichs Agence France Presse (AFP), aus der Süddeutschen Zeitung alias "Prantl-Prawda" oder "Alpen-Prawda", aus Texten des AfD-Gegners Prof. Dr. Hajo Funke, des Kämpfers gegen Rechts und für tote Juden, sowie aus dem SPIEGEL des Jakob Augstein. Andere Quellen zitiert er selten. 60 bis 80 Abgeordnete der AfD könnten in den Bundestag einziehen, entsetzt er sich über den Einzug der "radikalen Rechten", la droite radicale. Jetzt, da der Tag naht, ist Schluß mit der "populistischen AfD", es wird Ernst: radikal!

Er schreibt aus deutschen Medien den Spruch von Sigmar Gabriel ab, der verbittert ist, "weil ich weiß, daß, wenn ich hierher zurückkehre, zum ersten Mal seit 1945 wirkliche Nazis im Reichstag sprechen," seufzt er, "parce que je sais que lorsque je reviendrai ici, de véritables nazis auront fait leur retour à la tribune du Reichstag pour la première fois depuis 1945." Selbstverständlich weist auch Nicolas Barotte nicht hin auf den Trick des Außenministers: "im Reichstag", um somit die lange Liste der Alt-Nazis im Bonner Bundestag hinwegzureden, darunter nicht wenige seiner Partei in hohen Positionen, als Oberbürgermeister und Minister sowie einer als Mitglied des SPD-Bundesvorstands.

Liste des anciens membres de la NSDAP, qui ont milité après mai 1945

Der Einzug der AfD in den Bundestag wäre ein Schock für die Demokratie und bereitete organisatorisches Kopfzerbrechen. Die Eröffnungsrede würde nun nicht, wie üblich, vom ältesten Abgeordneten  gehalten, das werde nämlich der AfD-Abgeordnete Alexander Gauland, 76 Jahre, sein, sondern der am längsten im Bundestag vertretene Abgeordnete. Solche demokratieferne Manipulation ist dem Korrespondenten keine Kritik wert, damit muß er einverstanden sein, lebt er doch in einem Staat, in dem durch Verordnungen regiert wird.

Aus Gütersloh kommen nicht nur Miele und Bertelsmann!

Den Rest gibt er dann Alice Weidel, Anti-Islam, Anti-Merkel, Anti-Europa. Allemagne : Alice Weidel, l'anti-islam, l'anti-Merkel, l'anti-Europe. Sie, die noch vor einem Jahr unbekannt war, soll im Bundestag "die der Klarheit mangelnde populistische AfD führen": "Alice Weidel hat die Regeln schnell begriffen." Sie beugt sich ihnen ohne Murren, einer immer härteren Linie folgend, mit einer radikalen Durchschlagskraft, ...  um im Deutschen Bundestag die Stimme der "Anti" zu sein." Soweit zur "mangelnden Klarheit"! Die Kommentatoren geben die passende Antwort auf die Propaganda:

Allez, Alice ! "Vorwärts, Alice!"

Der Korrespondent eines Staates, der von einem Präsidenten regiert wird, der ein Jahr vor seiner Wahl im Volke unbekannt war, echauffiert sich, wenn es sich um eine AfD-Funktionärin handelt.

Doch das ist noch nicht genug der Peinlichkeit!

Die Synagoge letztlich eingerichtet in einer Schule

Während im Figaro durch Nicolas Barotte Anti-AfD-Wahlkampf betrieben wird, an Aufwand und Dauer nur noch überboten von den Pro-Obama- und Anti-Trump-Wahlkämpfen des Philippe Gélie, und während man sich fragt, wer ihnen das Recht einräumt, den Lesern ihre Meinung zuzumuten, statt zu berichten, liest man im Lokalblatt L'Indépendant mehr über den Zustand Frankreichs.

Daniel Halimi, Präsident der Jüdischen Gemeinde, im Hof der Schule

Die Synagoge wird schließlich in der ehemaligen Schule Lavoisier eingerichtet.

Zwei Jahre der Ungewißheit zieht es sich hin, bis die Jüdische Gemeinde Perpignans und der Ost-Pyrenäen in Perpignan eine angemessene Synagoge einrichten kann. Jetzt ist es soweit, daß die Stadt auf einstimmigen Beschluß der Stadträte der Gemeinde für 230 000 € das seit zehn Jahren stillgelegte insgesamt 2 600 Quadratmeter umfassende Gelände der Schule Lavoisier verkaufen wird, wobei das Gebäude 2 000 und der Hof 600 Quadratmeter messen. Die Mittel der Jüdischen Gemeinde für den Erwerb stammen ausschließlich aus privaten und aus örtlichen Fonds. Nicht nur eine Synagoge, die schon im Januar 2018 eröffnet werden kann, sondern auch eine koschere Fleischerei, ein jüdisches Restaurant, Konferenzräume und Lehrsäle sollen dort mittelfristig entstehen.

Die Jüdische Gemeinde dankt "für den Mut, den die Abgeordneten gezeigt haben."

Die Gemeinde erwirbt zunächst ein viel kleineres Gebäude von 380 Quadratmetern an der Place Méditerranée. Aber sie hat nicht mit ihren zukünftigen Nachbarn gerechnet, die neun Gerichtsprozesse anstrengen, um den Umbau zum Einzug der Juden zu verhindern. Einen der Prozesse hat die Gemeinde gewonnen, aber ihr Präsident "wirft das Handtuch", und das nicht ohne Bitterkeit: "Wir beabsichtigen nicht, umgeben zu sein von Feinden, um unsere Religion auszuüben. Sie wollten keine Synagoge, und ihr Verhalten und ihre Reden waren, ehrlich gesagt, mehrdeutig."

Trotz des vollzogenen Verkaufs des Gebäudes an der Place Méditerranée geben die Kläger keine Ruhe, sondern verfolgen die Jüdische Gemeinde weiterhin vor Gericht.

Soweit zu den Zuständen in Frankreich, wo Jupiter Verordnungen mit Gesetzeskraft unterzeichnet, und die Medien die AfD der rechten Radikalität zeihen. Le Figaro ist dabei nur ein Beispiel, die anderen sind teils schlimmer.

Update, vom 24. September 2017

Was DIE WELT in Deutschland ist, nämlich eine erweiterte TAZ, das ist Le Figaro in Frankreich, eine erweiterte Libération. Wie in den Sendern des Staatsfernsehens ARD und ZDF, geht auch im Figaro die Hetze immer weiter. Sie alle haben nicht verstanden, daß der Wahlkampf beendet ist, und daß jetzt die Probleme angegriffen werden, die Angela Merkel ein Dutzend Jahre lang unter den Teppich gekehrt hat. Wer sagt es dem Korrespondenten, daß die AfD nahezu 1:1 das Vormerkelprogramm der CDU fährt, angereichert selbstverständlich durch aktuelle neue Schwerpunkte.


L'Allemagne se prépare au choc des nationalistes de l'AfD. Par Nicolas Barotte,
Le Figaro, 24 septembre 2017

Mit herrlichen Kommentaren, ähnlich wie unter WELT-Artikeln:

olarch : Maintenant il nous faut une Alternative pour la France. Bravo à l'AfD !
Le 24/09/2017 à 22:33
olarch: Jetzt brauchen wir eine Alternative für Frankreich. Bravo der AfD!

fillon2022-2027-wauquiez2032: Pourquoi parler de victoire "assombrie par le score des 
nationalistes" ? Qu'y a t'il de sombre ? Soit ce parti est nazi et on l'interdit, soit ils ont le droit d'avoir leurs idées? Ou alors seules sont tolérées les idées à la Merkel Macron ??

fillon2022-2027-wauquiez2032:  Warum von einem Sieg sprechen, der "verfinstert durch das Wahlergebnis der Nationalisten" ist? Was hat es Finsteres? Entweder diese Partei ist nazi, und man verbietet sie, oder sie haben das Recht, ihre eigenen Ideen zu haben? Oder werden nur die Ideen gemäß Merkel Macron geduldet?

Update, vom 25. September 2017

In Frankreich wird die AfD jetzt mit einem neuen Eigenschaftswort belegt, nach extrême und populiste ist sie ab sofort nationaliste. Damit wird sie sprachlich an die NSDAP und den Front National gerückt. 

Es wird auch hingewiesen darauf, daß es für Angela Merkel und damit für Emmanuel Macron und überhaupt für Europa gut wäre, wenn die SPD die größte Oppositionspartei wäre. Sie, die die Mißwirtschaft mitverantwortet, wäre dann die erste Sprecherin der Opposition, was nach der Geschäftsordnung wichtig ist wegen Ausschußvorsitz, Rederecht im Bundestag etc. So könnten die Probleme besser weiter unterm Teppich bleiben, und Emmanuel Macron hätte eine stärkere Position gegenüber Deutschland. 

Deutschland definierte übrigens laut L’Indépendant [nicht online] und anderen Zeitungen, die von der AFP abschreiben, bislang seine Nachkriegsidentität “aus dem Kampf gegen Extreme und der Reue für die Verbrechen des III. Reiches” (repentance). Die AfD = Anti-Immigranten, Anti-Islam, Anti-Euro und geschichtsrevisionistisch (révisionnistes de l’histoire). Das wird so formuliert, um für die Leser die AfD mit dem ehemaligen Front National des Jean-Marie Le Pen zu assoziieren.

Wenn’s so weitergeht, haue ich ihnen das Buch von Robert A. Paxton: Vichy France noch im konkreten Sinn um die Ohren, diesen Heuchlern, die schon 1938, zwei Jahre vor dem Einmarsch der Deutschen, Juden und andere mißliebige Menschen in Konzentrationslager steckten. Dazu lese man Denis Peschanski : La France des camps, und man ist bedient. 


Und noch ein Schmankerl: Der ehemalige Berlin-Korrespondent Patrick Saint-Paul berichtet im Leitartikel des Figaro, daß Angela Merkel auf ihrem Schreibtisch ein Porträt von Katharina der Großen stehen habe; sie wäre das Vorbild der "furchterregenden Strategin": Merkel, la redoutable stratège.

Man kommt aus dem Lachen nicht raus! Eine schöne Vierte Regierungszeit Merkels allerseits!