3. Januar 2018

Steuergesetze in Deutschland: Weich aber unfair!

Ein aktualisierter Artikel vom 9. September 2005. Aus gegebenem Anlaß! Welcher der gegebene Anlaß ist, steht am Ende des Aufgusses. Man wird sehen, daß sich nichts geändert hat seitdem.


Ferdinand von Schill, anscheinend ein weltfremder Spinner, hat den Spruch in einer Ansprache auf dem Marktplatz von Arneburg an der Elbe, am 12. Mai 1809, geprägt: "Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende". Drei Wochen später ist er tot. Kein Wunder! Welche Idioten plappern den Spruch trotzdem nach? 30 000 Angebote macht Google.de dazu, in 0,64 Sekunden.

Autoren und Autorinnen, die dort anpreisen, daß das Ende mit Schrecken dem Schrecken ohne Ende vorzuziehen sei, erzählen nichts als Märchen. Die Erfahrung lehrt, daß die meisten Menschen einen Schrecken ohne Ende dem Ende mit Schrecken vorziehen - und zwar immer und in allen Fällen, ohne Ausnahme. Die Deutschen sind dabei führend!

Man nehme nur die Lage vor den Bundestagswahlen, vom 18. September 2005: Inzwischen will eine knappe Mehrheit die Große Koalition. Die "Große Koalition der kleinen Kompromisse", schreibt DIE WELT: "In einer Zwangsehe von SPD und Union stehen die Chancen für weitreichende Reformen schlecht. Einen Befreiungsschlag wird es weder beim Umbau des Sozialsystems noch im Steuerrecht geben," wobei der Umbau des zweiten direkte Folgen für ersteres haben würde.

Es hätte heißen müssen: Inzwischen traut sich die Mehrheit der Deutschen zuzugeben, daß sie nichts ändern und umbauen will, daß sie den Schrecken ohne Ende vorzieht. In ihm hat sie sich eingenistet, provisorisch die zugigen Ritzen gestopft, die durch das auseinanderberstende unbezahlbare Sozialsystem der heutigen Form entstanden sind. Die ganz Armen können einwenden, was sie wollen, sie sind nicht zurechnungsfähig, und sie werden dementsprechend nicht zugerechnet, sie fallen auch nicht hinten herunter, weil sie nämlich schon am absoluten Tiefpunkt angelangt sind, wo's kein weiteres Fallen mehr gibt.

Was die Mehrheit der im Schrecken ohne Ende eingerichteten Deutschen gern tut? Betrügen, hintergehen, linken! Wen? Das Finanzamt, die Versicherungen, den Arbeitgeber, die Kollegen. Sie glauben es nicht? Ich habe es während meines beruflichen Lebens reichlich erfahren, Sie nicht?

Ob es sich darum handelt, blau zu machen, am Arbeitsplatz stundenlang private Ferngespräche zu führen, Büromaterial mitgehen zu lassen, Kollegen zu denunzieren - die Phantasie kennt keine Grenzen. Man betrachtet das als angemessen; denn "die da oben" machen es im großen Stil vor.

Ob es sich um Kranken-, Haftpflicht- oder Glasversicherung handelt - wer von Ihnen, Arzt, Nachbar oder Kollege wurde noch nicht konfrontiert mit der Bitte, eben zu bestätigen, daß ... ?

Nun zum Finanzamt. Wie kommt man ihm und seinen unverschämten Forderungen bei? Mit dem in jedem cleveren Haushalt als Broschur vorhandenen "Großen Konz" und seinen "1000 ganz legalen Steuertricks". Die Verlagsgruppe Droemer Knaur titelt auf ihrem Bestseller: "Dem Finanzamt fürs Jahr 2005 wieder viele Schnippchen schlagen". Amazon veröffentlicht folgende Kurzbeschreibung seines Renners mit dem Verkaufsrang 330:

"Konkurrenzlos günstig, konkurrenzlos gut. Die aktualisierte Fassung des bewährten, unentbehrlichen Steuersparers. Für alle, die bei der Lohn- und Einkommensteuer keinen Euro verschenken wollen. Mit vielen neuen Tipps und Tricks für 2005 - der erfolgreichste Steuerratgeber seit 20 Jahren!"

Zum Vergleich: Die broschierte Bibel aus dem Herder-Verlag steht bei Amazon zu der Zeit auf Verkaufsrang 563.

Zwar wird im "Konz" auch die Einkommensteuer erwähnt, aber es kann sich nur um die der kleinen bis mittleren Einkommen handeln, oder glaubt jemand, die Reichen kauften sich den "Konz"? Steuerberater werden schon von Menschen mit mittlerem Einkommen eingeschaltet, von den Reichen nimmt höchstens aus Neugier einer den "Konz" in die Hand.

Am 2. November 2017, gibt es den "Konz: 1000 ganz legale Steuertricks" und zusätzliche "Konze". Der Steuerdschungel bringt dem klugen Autor und der Verlagsgruppe Droemer Knaur Jahr für Jahr das ganz große Geld. "Mehr wissen. Mehr Geld. Konz"!

Knaur bewirbt seinen Renner:

"'Konz. 1000 ganz legale Steuertricks' - das Standardwerk unter den Steuer-Ratgebern und der Garant für höchste Steuerrückerstattungen vom Finanzamt.

Die komplett überarbeitete Ausgabe enthält zahlreiche neue Tipps und Tricks für die Steuererklärung 2017. Mit dem überarbeiteten Konz erhalten Sie das Steuer-Wissen, das Ihnen mehr Geld bei der Steuererklärung einbringt, ganz nach dem Motto: Mehr Wissen. Mehr Geld. Konz.

Noch mehr Wissen rund um die Steuererklärung 2017 erhalten Sie mit diesen Ausgaben: 'Konz. Das Arbeitsbuch zur Steuererklärung' und 'Konz. Das Arbeitsbuch zur Steuererklärung für Rentner und Pensionäre'."

Der von der CDU nach der Bundestagswahl, am 18. September 2005, als deutscher Finanzminister vorgesehene Prof. Dr. Paul Kirchhof, der "Professor aus Heidelberg",  der "Sozialisten-Schreck" (NZZ), will diesem Volkssport ein Ende machen, und nicht nur dem Volkssport "Schnippchen schlagen" der Lohnsteuerpflichtigen, sondern aller, der Armen, der Mittelklässler und der Reichen. Wie? Durch Flat Rate Tax: 25 Prozent Steuer für alle, und damit Abschaffung der 1000 Sonderregelungen zur legalen Steuerreduzierung und durch Abschaffung der Subventionen.

Welch eine großartige Idee, die im Herbst 2005 schon von so fortschrittlichen Staaten wie Estland (26% - 20% ab 2005), Lettland (23%), Litauen (15%), Slowakei (19% - 25%), Singapur und Hongkong (15%) und Rußland (13%) ausgeführt wird! Auch verschiedene US-Bundesstaaten kennen die Einheitssteuer: Colorado, Illinois, Indiana, Massachusetts, Michigan, New Hampshire, North Carolina, Pennsylvania, Tennessee und Utah (3,3 - 7%).

Wikipedia listet mehr Staaten und Provinzen mit Einheitssteuersatz auf, als es 2005 gab. Man traut seinen Augen nicht! Wie es der Zufall will, sind viele von diesen Staaten wirtschaftlich im Aufschwung. Einige Staaten, die Flat Rate Tax eingeführt hatten, sind zu zweistufigen Steuersätzen zurückgekehrt.

Das rückständige, verkrustete Deutschland aber möchte diese Einfachheit nicht, sondern seine Bürger wollen lieber aus einem Wust an Bürokratie heraus ganz legal weiter betrügen: "Schnippchen schlagen". Kann mir jemand sagen, was gerecht sein soll daran, daß kleine Einkommen prozentual weniger Steuern bezahlen als mittlere und große? Was ist gerecht daran, daß Reiche sich die besten Steuerberater leisten, um ihr steuerpflichtiges Einkommen ganz legal so herunterzurechnen, daß sie prozentual weniger Steuern bezahlen als die Leser des "Konz"? Was ist daran gerecht, daß Kleinstverdiener, viele von ihnen Immigranten, die sich nicht im "Konz" zurechtfinden, zu Scharlatanen gehen und ihre zu erwartenden Lohnsteuererstattungen dort für 'nen Appel & 'n Ei verkaufen?

Die Deutschen wollen nichts ändern, sie wollen einerseits gesagt bekommen, was sie zu tun haben, andererseits wollen sie ein bißchen rebellieren, den Prickel, an der Illegalität entlangzuschrappen, "den Staat" zu hintergehen, sie wollen Ausnahmetatbestände und steuerliche Vorzugsbehandlung, das hebt ihr Selbstbewußtsein. Was interessiert die Benutzer des "Konz", und das sind schließlich diejenigen, die Paul Kirchhof verteufeln und durch den Bundeskanzler Gerhard Schröder als "Professor aus Heidelberg" abqualifizieren lassen, was interessiert es sie, daß die Armen als demütigend empfundene Anträge auf Zuschüsse hier und Ablasse da ausfertigen und ihre Lohnsteuerrückzahlungen verscherbeln müssen, wenn sie dem "Lehrer aus Kassel" Hans Eichel beikommen wollen? Der ist zu der Zeit Finanzminister.

Der Lehrbeauftragte an der Universität St. Gallen Christoph A. Schaltegger, Mitglied der Jungfreisinnigen der Schweiz und Wirtschaftspolitischer Berater der Eidgenössischen Steuerverwaltung, entwickelt, am 16. Juli 2004, auf vier Seiten, also auf etwas mehr als einem Bierdeckel, Überlegungen zu einer Reform des Einkommenssteuersatzes, der Einführung einer Flat Rate Tax mit gleichzeitiger sozialpolitischer Komponente durch Freibetrag. Er listet die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen für die Schweiz auf. Den angemessenen Steuersatz sieht er für die Schweiz bei 24 Prozent:
  • Zunahme von Arbeitsangebots-, Spar- und Investitionsanreizen,
  • Unterstützung des Wirtschaftswachstums umstritten,
  • Verteilungswirkungen zu Lasten unterer Einkommensklassen, aber
  • durch Freibetrag (indirekte Progression) positive Verteilungswirkung,
  • Wegfall von Nachteilen steigender marginaler Steuersätze,
  • zentral orientiertes Steuersystem,
  • Abkehr vom Steuerföderalismus, dabei aber
  • negative Auswirkungen durch Wegfall des wettbewerbs- und  innovationsgerierenden Elementes des Föderalismus.
In einigen kleineren Kantonen der Schweiz gibt es bereits die Einheitssteuer, beispielsweise in Uri.

Einheitssteuer hat in der Schweiz einen schweren Stand, liest man in der NZZ, am 25. Mai 2016.

"Als erster grösserer Kanton will Schwyz eine Flat Rate Tax einführen. FDP und CVP zerfleischen sich, was die Erfolgsaussichten schmälert."

In Deutschland würde sich das ähnlich darstellen. Prof. Kirchhof spricht für Deutschland von 25 Prozent Flat Rate Tax.

Ein 16-seitiger Bericht des Bundesrechnungshofes (BRH) über die Tagung der Projektgruppe 6 (Finanzthemen) der "Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung" zeigt, daß in Deutschland in diesem System große Mängel festzustellen sind. Der BRH berichtet nichts von etwaigem "Wegfall des wettbewerbs- und innovationsgerierenden Elementes des Föderalismus", sondern er strebt schon im Bericht, vom 31. Mai 2000, die Schaffung einer Bundessteuerverwaltung an. Dies bedürfte einer Änderung des Grundgesetzes. Inzwischen seien weitere Mängel hinzugekommen, die eine Verlagerung der Verwaltungskompetenz von den Ländern auf den Bund geboten sein ließen.

Da der Bundesrechnungshof die politische Wirklichkeit mit ihren Mickern, Angsthasen und Möchtegernzaren in Deutschland richtig einschätzt, schreibt er: "Sollte dieser Vorschlag derzeit politisch nicht realisierbar sein, ließen sich durch kleinere Schritte die vom Bundesrechnungshof festgestellten Probleme abmildern." Nachzulesen, nicht online:

Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung. Arbeitsunterlage 0088. Probleme beim Vollzug der Steuergesetze, hier: Föderales Steuersystem in Deutschland. Bundesrechnungshof, 26. Oktober 2004

Der BRH plädiert also für "etwas schwanger". Das bedeutet, daß aus der Vereinheitlichung und gar der grundsätzlichen Vereinfachung des Steuersystems auf absehbare Zeit nichts wird. Eine große Koalition wird diese Aufgabe nicht vordringlich in Angriff nehmen; denn jeder dieser Schritte wäre einer in Richtung auf Abbau von Macht und Einfluß der Landesfürsten und ihrer Mitarbeiter, der Finanzämter und der Finanzminister der Länder; letztere würden überflüssig und damit letztlich die Landesregierungen. Was ist ein Fürst ohne Macht über die Einnahmen und Ausgaben?

Hinzu kommt die riesige dann überflüssige Lobby der Steuerberater, vom Verlagschef von Droemer Knaur gar nicht zu reden, der könnte seinen "Konz" einstampfen. Politisch würde der Schritt zur Flat Rate Tax eine Liberalisierung der deutschen Gesellschaft bringen, Bürger, die sich nicht bei einem gepflegten Bier in die Ecke des Wohnzimmers verziehen, auf den Blutsauger Staat schimpfen, den "Konz" studieren und ihre Steuern kleinrechnen, die sich nicht hämisch die Hände reiben, daß sie dem "Lehrer aus Kassel" oder seinem Nachfolger eins auswischen. Die Mitarbeiter der Lohn- und Einkommensteuerabteilungen der Finanzämter würden Macht verlieren, Steuerfahnder aber hätten endlich Zeit sich um die Steuern der Konzerne zu kümmern und müßten nicht dazu eingesetzt werden nachzuprüfen, ob der als in der Wohnung gemeldete Ehemann sich dort wirklich aufhält, oder ob das von der Ehefrau nur angegeben wird, weil sie in die bessere Steuerklasse aufgenommen werden will.

Der Staat und seine Beamten und Angestellten würden klassische Aufgaben wahrnehmen: Innen, Außen, Justiz, Verteidigung, Finanzen, und nicht in Scharmützeln Kleinverdiener und Rentner aufreiben. Einen Schritt in diese Richtung zu gehen, wäre am 18. September möglich gewesen. Es war nicht daran zu denken! Das Volk der Ängstlichen und Micker hat es nicht zugelassen. "Es wird alles wieder so, wie's bleibt", um den Versprecher eines meiner ehemaligen Kollegen zu zitieren.

9. September 2005 / 3. Januar 2017

Das letzte von der Liberalenhalde!

Vom Superstar zum Buhmann in wenigen Wochen: Paul Kirchhof, Merkels Wunschkandidat fürs Finanzministerium, wird nun auch von der FDP scharf angegriffen. Graf Lambsdorff nennt Kirchhof "ein Risiko", Partei-Vize Brüderle macht ihn für sinkende Umfragewerte verantwortlich, berichtet DER SPIEGEL, am 12. September 2005.

Wieder so typisch deutsch: verantwortlich sind immer andere, nicht diejenigen von der CDU, die Paul Kirchhof ins Kompetenzteam geholt haben, und nicht diejenigen von der FDP, die das bejubelten, auch nicht Friedrich Merz, der in einem Interview Paul Kirchhof noch überholte, er habe das schon lange gefordert, was Paul Kirchhof jetzt zum Star mache, sondern verantwortlich ist Paul Kirchhof, der es gewagt hat, vernünftige Ideen zur Entflechtung und zum Abbau unserer Bürokratie einzubringen. Nun stürzen sich die mittelmäßigen Pöstchenkleber und -jäger auf ihn.

Was wird aus dem FDP-Steuerexperten Hermann Otto Solms, wenn Paul Kirchhof Finanzminister wird? Neese! Was wird aus Friedrich Merz, wenn Paul Kirchhof nicht gebremst wird? Neese! Was wird aus dem bayerischen Landesfürsten Edmund Stoiber und seinen 14 Kollegen, wenn sich die Stimmen für die Flat Rate Tax durchsetzen? Neese!

Was wird aus der Bundesrepublik Deutschland, wenn sie sich nicht endlich daran macht, ihre aufgeblähten Institutionen zu verschlanken? Neese!

Das allerallerletzte

"Ist Kirchhof gerecht?" fragt der STERN, am 2. September 2005, das Kirchhof-Modell betreffend, und bietet einen Rechner, "damit jeder weiß, wie viel er ans Finanzamt zahlen müsste."

Die Sendung Hart aber fair, vom 20. Februar 2008, dauert von 22:10 - 23.15 Uhr. Sie behandelt "aus aktuellem Anlaß", der bis heute andauert, das Thema "Die Elite verrät das Volk - Ruiniert die Gier unsere Gesellschaft?" Bei Movie Land kann man's noch ansehen.

Den Fernsehzuschauern werden Szenen einer Giergesellschaft geboten: Nimmersatte Wirtschaftsführer scheffeln Millionen auf die Seite, lügen und betrügen. Während die Normalbürger immer weniger Geld haben, bereichern sich die Reichen und prellen auch noch das Finanzamt.

"Die Gäste: Hubertus Heil (SPD-Generalsekretär) Guido Westerwelle † (Partei- und Fraktionsvorsitzender der FDP) Ulrich Wickert (Buchautor und Journalist, ehem. ARD-Tagesthemen-Moderator) Utz Claassen (ehem. Vorstandsvorsitzender EnBW Energie Baden-Württemberg AG) Pastor Kai-Uwe Lindloff (Theologe und Vorsitzender des Kinder- und Jugendzentrums 'Die Arche' in Berlin)".

Die eingeladenen Prominenten behandeln alles und jedes, nicht aber das, was dran wäre, nämlich die Einführung eines Einheitssteuersatzes von 24 oder 25 Prozent für alle, bei einem Freibetrag von 8000 Euro für Geringverdiener und bei Reduzierung von Subventionen, Ausnahmen und Abschreibungsmöglichkeiten auf wenige Fälle. 23 Paragrafen sollten genug sein in Zukunft.

Der Name von Prof. Dr. Paul Kirchhof und der von Dr. Friedrich Merz aber fallen kein einziges Mal. Erst Sigmund Gottlieb, vom Bayerischen Rundfunk, nennt sie im Kommentar von Tom Buhrows Tagesthemen. Das allein zeigt, daß am Thema vorbei diskutiert wird: die Vergeudung von gesellschaftlichen Kräften in der aufgeblähten Bürokratie.

Vauban und der Einheitssteuersatz des Paul Kirchhof. 28. März 2007 / 28. Juni 2011

Wenn man weiß, daß schon vor 300 Jahren der Einheitssteuersatz gefordert wird, und Sébastien Le Prestre, Marquis de Vauban (1.5.1633 - 30.3.1707), der Urheber dieser unverschämten Forderung beim französischen König Ludwig XIV. in Ungnade fällt und darob vor Kummer stirbt, dann ahnt man, worauf unsere Politiker hinauswollen, beispielsweise die von der "Mitmachpartei" CSU: auf weitere 300 Jahre des Weiterwurstelns, der Machtausübung durch Gewährung von Sonderbedingungen, solche für Arme, solche für Reiche und solche für die irgendwo dazwischen angesiedelten, denen vom Mittelstand, der mehr als die Hälfte des gesellschaftlichen Reichtums produziert.

Das hält unsere deutsche Gesellschaft aber keine weiteren 300 Jahre aus, sondern sie wird zerstört. Die nicht so reichen betrügen und tricksen so gut sie können: Rechnung? Brauch ich nicht! heißt das bei Frank Plasberg, und das summiert sich genau zu der einen großen Rechnung, die ohne den Wirt gemacht wird.

In seinem Todesjahr 1707 veröffentlicht Sébastien Le Prestre, Marquis de Vauban (1633 - 1707) in Paris eine Denkschrift zur Steuerreform Projet d'une dixme royale, Projekt für einen königlichen Zehnten, und fällt dafür beim König in Ungnade. Seine Überlegungen resultieren aus seinen Erfahrungen unzähliger Reisen im ganzen Lande. Er dokumentiert sie in einem zwölfbändigen Werk die Oisivités de M. de Vauban, die "Müßiggänge des Herrn de Vauban". Das Elend des Volkes schreibt er den Finanzbeamten zu, den Steuereintreibern. Die Ungerechtigkeit des praktizierten Steuersystems läßt das Land verelenden. Privilegien und Ausnahmen führen dazu, daß die Reichen ihre Steuern herunterrechnen können, und die Masse des Volkes das Steueraufkommen erbringt, diejenigen, die am wenigsten in der Lage sind dazu.

Um diesem traurigen Zustand für König, Land und Leute ein Ende zu setzen, schlägt er vor, die willkürlich erhobenen Steuern auf alles und jedes sowie die Provinzzölle zu ersetzen durch einen Einheitssteuersatz von 10 bis 20 Prozent des Einkommens, gleichermaßen zu zahlen von allen Untertanen des Königs, von Armen und Reichen. Er will damit die Steuerlast gerecht auf alle Bevölkerungsschichten ihrem Einkommen entsprechend verteilen. Der Steuersatz sollte je nach Bedarf des königlichen Schatzamtes bestimmt werden.

So wie damals im Ancien Régime ist's auch heute: Unsere ungerechte Steuerregelung  mit 50 000 Bestimmungen macht uns fertig, arme und reiche Leute. Und was die Reichen angeht, erklärt die SPASSPOST am Beispiel "10 Männer beim Essen": "Die Menschen, die in unserem Land die höchsten Steuern zahlen, haben die größten Vorteile einer Steuererleichterung. Wenn sie aber zu viel zahlen müssen, kann es passieren, dass sie einfach nicht mehr zum Essen am Tisch erscheinen und nachher auch die Rechnung nicht mehr mit bezahlen. In der Schweiz und in der Karibik gibt es ja schließlich auch ganz tolle Restaurants."

Michael Schumacher und viele andere Gutverdiener halten es schon jetzt so, wie wir bei Frank Plasberg erfahren. Man bedenke, daß die Steuerregelung nicht das einzige Problem ist, das liegengelassen wird, Zurückdrängung der Islamisierung ist der zweite große Problembereich, der nicht behandelt wird. Beide zusammen werden es schaffen, daß wir in einer Form der Diktatur landen, die von anderen gewaltsam beendet werden muß. Anschließend hat dann wieder niemand etwas gewußt, und es geht weiter wie immer.

"Zunächst aber geht's ungebremst weiter ins Unheil: Nehmen wir die KfW in Frankfurt. Der sitzt Ingrid Matthäus-Maier vor. Sie ist - wie ich - gelernte Steuerberaterin. Das Examen gilt hierzulande als das zweitschwierigste (nach dem WP). Nicht wenig also, selbst wenn das übertrieben wäre. Aber wer von uns Steuerexperten sähe sich dafür aus, aus dem Stand heraus eine Bank zu leiten, noch dazu eine Großbank?" schreibt HAD unter dem Titel "Finanzen, Steuern und der pc-Mainstream", PI, am 21. Februar 2008, also vor dem Höhepunkt der Finanzkrise.

Ich bin für Ingrid Matthäus-Maier; denn sie hat durch ihre unsägliche Rede in der Debatte um die zukünftige Hauptstadt Deutschlands, am Donnerstag, 20. Juni 1991, so eindringlich persönliche Argumente für Bonn gebracht, daß sich mancher Bonn-Befürworter die Haare raufte: "Ich liebe Bonn! Wir wohnen gern hier!" Leider ist das aus dem Protokoll entfernt, aber ich habe es selbst gehört.

Wer jemals in öffentlichen Institutionen der internationalen Zusammenarbeit beschäftigt war, von denen die KfW eine ist, der weiß, daß sich dort in den Aufsichtsgremien und in den Geschäftsleitungen die menschgewordene Inkompetenz versammelt. Dort werden Bundes- und Landespolitiker zwischengeparkt, bis die andere "Partei der Mitte" und ihre Mehrheitsbeschaffer wieder die Mehrheit haben, sie werden dorthin, wenn im Europaparlament gerade kein Sitz frei ist, abgeschoben oder in die Vergessenheit entsorgt.

Der gegebene Anlaß für die Aktualisierung des Artikels


Wie jedes Jahr gibt's im Figaro zum Neuen Jahr ein Éditorial dessen Besitzers Serge Dassault. Er verbindet seine guten Wünsche für die Leser, Les voeux de Serge Dassault, in diesem Jahr damit, eine Preiserhöhung von 2,40 € auf 2,60 € für die am Kiosk verkaufte Zeitung zu rechtfertigen, Le Monde kostete längst so viel.

Nicht nur die guten Wünsche sind im Preis inbegriffen, sondern auch die gängigen Mahnungen zu Reformen: Das Rentenalter, das gegenwärtig offiziell bei 62 Jahren liegt, oft aber 60 Jahre und darunter betrüge, müßte weiter heraufgesetzt, die Wochenarbeitszeit von 35 Stunden zur Exportsteigerung und zur Senkung der Staatsverschuldung erhöht sowie die Anzahl der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst verringert werden.

Und dann kommt Serge Dassault zu seinem Lieblingsthema, dem Einheitssteuersatz, la flat tax. Am 8. Juli 2014 habe ich ihn, den Nachfolger des Sébastien Le Prestre, Marquis de Vauban, zuletzt dafür gewürdigt: Frankreich. Einheitssteuersatz? Alle 300 Jahre wieder! Einen Tag zuvor lese ich in seiner Zeitung, daß er meint, bei einem Einheitssteuersatz von 15 Prozent sparte der Staat 200 Milliarden Euro. Er verweist dabei auf Rußland und seinen Einheitssteuersatz von 13 Prozent. Tatsächlich erklärt der russische Finanzminister, daß seit der Einführung des Einheitssteuersatzes durch Wladimir Putin, im Jahre 2001, noch nie so viel Geld in seine Kassen geflossen seien. Die sozialistische Regierung des François Hollande geht darauf selbstverständlich nicht ein; denn mit jeder Sonderregelung, jeder Subvention und jeder Steuervergünstigung gewinnt die Partei Wählerstimmen. In seinen Wünschen für die Leser, 1. Januar 2014, ist die Steuersenkung ebenfalls sein Thema: La France doit réduire ses dépenses et ses impôts. "Frankreich muß seine Ausgaben und seine Steuern senken," heißt es da noch allgemein.

Das progressive Steuersystem reicht in Frankreich heute laut Graphik des Figaro von 4 -> 7,7 -> 13 Prozent für Einkommen von 0 - 1500 €, über 13 -> 14,4 -> 22,8 Prozent für 1500 - 4000 € bis zu 25 -> 30 Prozent für 4000 € und mehr, zuzüglich weiterer Abgaben hier&da.

Er entwirft in diesem Jahr ein Steuersystem in drei Stufen: Einkommen von 0 - 1500 € steuerfrei, 1500 - 4000 € 13 Prozent, 4000 € und mehr 25 Prozent.

In Frankreich ist der Einheitssteuersatz nach 300 Jahren inzwischen nach jedem weiteren untätig vergangenen Jahr Thema. Es ist nicht davon auszugehen, daß Emmanuel Macron sich daran wagt. Seine Tutorin Angela Merkel hat seit der Abservierung des "Professors aus Heidelberg" keinen Gedanken daran verschwendet. Ein Blick in die Google News reicht. Für solche Vorstellungen des Matteo Renzi für Italien, Einheitssteuersatz von 23 Prozent, hat die taz, das Zentralorgan der Gewinnler der Merkel-Politik, am 29. Dezember 2017, nur Hohn und Spott.

Und so wird es mit Deutschland, Frankreich, Italien und anderen in Steuern ertrinkenden EU-Staaten weiter abwärts gehen, grundsätzliche Reformen werden nicht in Angriff genommen. Die deutschen Michel können getrost die neueste Ausgabe des "Konz" kaufen. Es wird nicht die letzte sein!